Auf den Spuren Hollywoods: Ait Ben Haddou

Wenn du eine Reise nach Marokko machst, verpasse nicht, das einigartige Dorf Ait Ben Haddou zu besichtigen. Hier wurden schon namhafte Hollywood-Blockbuster wie "Gladiator" und "Die Mumie" gedreht sowie Teile der Erfolgsserie "Game of Thrones". Das sagenjafte Dorf aus rotem Lehm mit der Festung auf der Bergkuppe ist schon von weitem sichtbar und fasziniert nicht nur die Filmindustrie. Leider ist es durch anhaltende Dürre inzwischen stark vom Verfall bedroht, weshalb du dich beeilen solltest, dieses zum UNESCO-Weltkulturerbe zählende Wunder Marokkos zu besuchen. Die meisten Ausflüge, die du buchen kannst, kombinieren die Fahrt nach Ait Ben Haddou mit einem Besuch in Quarzazate. Von Marrakesch aus starten regelmäßig Touren, die unterwegs schon jede Menge Fotomaterial liefern.

Unkomplizierter Start in Marrakesch

Geführte Gruppenausflüge von Marrakesch aus starten in der Regel ganz früh morgens. Wer möchte, kann sich von einem Guide direkt im Riad abholen und zum Sammelplatz in der Nähe des Djemaa el-Fna bringen lassen. Ich habe die Tickets über  die App von GetyourGuide im Voraus gebucht und hatte zur Sicherheit noch Ausdrucke dabei. Andere Teilnehmer hatten den Ausflug direkt im Riad oder am Schalter des Veranstalters gekauft und zahlten in der Regel etwas mehr als meine Freundin und ich. Wie ließen uns bei unserem ersten Ausflug noch abholen, danach wussten wir, wo der Sammelplatz für die Kleinbusse ist und spazierten selbst dort hin. 

Der weg ist das Ziel

Ait Ben Haddou liegt gerade einmal 100 Kilometer Luftlinie südöstlich von Marrakesch, trotzdem ist man gut einen ganzen Tag unterwegs mit einer geführten Tour. Das liegt zum einen daran, dass die wirkliche Fahrstrecke rund 200 Kilometer beträgt, zum anderen kommt man auf den gewundenen Passtraßen nicht immer sehr schnell voran. Ich kann nur sehr empfehlen, eine Tour oder ein privates Taxi zu buchen, da du so ganz entspannt die sich immer wieder verändernde Landschaft und Szenen aus dem Alltag der Berber beobachten kannst. 

Sobald du die Stadt verlässt, siehst du, dass auf dem Land eine sehr einfache und ursprüngliche Lebensweise vorherrscht. Frauen, die ihre Wäsche im Fluss waschen, Lehmhäuschen ohne Strom, Eselsmärkte, Holzträger und Ziegenhirten kreuzen deinen Weg. Schwere körperliche Arbeit prägt sowohl im Tal als auch im Gebirge den Alltag dieser Menschen. Obwohl wir so früh los sind, habe ich nicht eine Sekunde im Bus geschlafen. Zu spannend war es, die fremde Welt da draußen vorbeiziehen zu lassen!

Über den sehr sehenswerten Tizi-n-Tichka-Pass geht es quer über das Atlasgebirge in luftige Höhen. Am Rand der schmalen Straßen quetschen sich in regelmäßigen Abständen süße kleine Souvenirstände, die manchmal nur aus ein paar auf einer Steinmauer platzierten Schnitzereien bestehen. Pass auf, dass es dich beim Aussteigen nicht gleich wieder zurück in den Wagen pustet. Auf dem Pass weht ein ordentlich frostiger Wind, das milde Klima Marrakeschs liegt nun hinter dir!

Während der etwa 4-stündigen Fahrt werden zwei bis drei Stopps gemacht, sodass genug Zeit für Pinkelpausen und Snacks besteht. Allerdings halten große wie kleine Busse meist an den gleichen Cafés, weshalb es zu etwas längeren Kloschlangen kommen kann, selbst im Winter. Sieh also zu, dass du das zuerst erledigst, bevor du die Aussicht genießt oder einen Snack kaufst.


Die Straße ist an manchen Stellen recht nervenaufreibend, sodass ich froh war, nicht selbst fahren zu müssen. Auch wenn unser Fahrer teilweise ein sehr flottes Tempo an den Tag legte, habe ich mich immer sicher gefühlt.  Schade war nur, dass die unzähligen kleinen Dörfer, die sich entlang der Straße immer wieder einfanden, so schnell vorbeiflogen. Mit der Kamera im Anschlag, versuchte ich, immer wieder typische Alltagsszenen Marokkos im Schnelldurchlauf einzufangen. Mal mit mehr, mal mit weniger Erfolg.

Ein unvergesslicher Anblick: Ait Ben Haddou

Ait Ben Haddou selbst liegt an einem Berghang auf einer Höhe von etwa 1300 Metern am Rande des Atlasgebirges. Die Ksar, wie befestigte Anlagen auf dem Land in Marokko genannt werden, gleicht tatsächlich mehr einem Wüsten-Märchenschloss als einem Dorf. Die Bevölkerung des Ortes, bestehend aus Berbern des Ben-Haddou-Stammes, lebt verteilt auf zwei Ortsteile. Vom modernen, in den 1960ern entstandenen Teil hast du einen tollen Blick auf die verschachtelten Wohnburgen aus Lehm des historischen Ksar und den von Dattelpalmen gesäumten Fluss Asif Mellah. Postkartenalarm!

Der erste Film, der in Ait Ben Haddou produziert wurde, war übrigens der Klassiker "Lawrence von Arabien" im Jahr 1962. Dass Ait Ben Haddou noch immer ein beliebter Drehort ist, merken wir bei unserer Besichtigung im Winter 2015 live vor Ort, denn Teile des Dorfes sind für einen Filmdreh abgesperrt. Wir sind gerade einmal 1, 2 Meter entfernt von Regisseur, Assistenten und Schauspielern, die fleißig eine Szene abdrehen. Schon beim unserem Weg vom neuen Ortsteil über den Fluss konnten wir die Trucks der Filmemacher ausmachen und verschiedene kostümierte Schauspieler. Aufregend!


Bei unserem Besuch ist der Filmdreh von "Gladiator" mit Russel Crowe von 2000 noch allgegenwärtig. Der Hauptdarsteller muss bei den Bewohnern mächtig Eindruck hinterlassen haben und soll sich im Gegensatz zu den meisten anderen Stars sehr für die Bevölkerung von Ait Ben Haddou interessiert haben. Man findet sein Portrait in vielen der kleinen Lehmbehausungen, die zm Teil übrigens tatsächlich bewohnt werden. Seit einigen Jahren gibt es auch im historischen Dorf Strom.

Sehr faszinierend ist es auch, dass man die Bauweise der Gebäude an vielen Stellen sehr gut erkennen kann. Die Strukturen des Stampflehms und die verbauten Fasern sind mit dem bloßen Auge leicht auszumachen. Das einstige Dorf ist inzwischen so eine Art Freilichtmuseum geworden. 


Vor allem dank der Filmindustrie werden Teile der Siedlung immer wieder restauriert, insgesamt befindet sie sich das UNESCO-Weltkulturerbe aber in einem kritischeren Zustand, bedingt durch Abwanderung der Jugend, anhaltende Trockenheit, Witterung und traurigerweise auch durch uns Touristen. Andererseits bringt das Interesse aus dem Ausland wieder Geld in die Kassen, um dieses Denkmal berberischer Baukunst zu erhalten. Darum sollten wir dankbar sein, diesen Ort besuchen zu dürfen und respektvollen Abstand zu den empfindlichen Bauten halten.

Nahezu jeder Einwohner von Ait Ben Haddou arbeitet gefühlt in der Filmbranche oder führt Tagestouristen herum. Es gibt eine Miniausstellung zu berühmten hier gedrehten Filmen und einen traditionellen Kunsthandwerker, der Bilder mit einer Flamme malt. Daneben finden sich die üblichen Souvenirhändler, die uns aber ziemlich in Ruhe lassen. 

Übrigens gibt es auch in Ait Ben Haddou die Möglichkeit, sich gegen ein kleines Trinkgeld von einem Guide herumführen zu lassen. Wir sind froh, dass dies kein Muss ist und ziehen ohne los. Unser Busfahrer möchte lediglich, dass wir uns zwei Stunden später zum gemeinsamen Mittagsessen in einem Restaurant im neuen Teil des Dorfes einfinden.

Das Essen ist nicht inklusive und wir sind nicht sehr hungrig. Deshalb bestellen wir nur eine Tajine, die wir zwei Mädels uns teilen. Auf dieses Nationalgericht kann man sich eigentlich geschmacklich in Marokko immer verlassen. Insgesamt wirkt es hier aber  ziemlich nach Massenabfertigung. Nach dem Restaurantbesuch geht es zurück in unseren Minibus und weiter ins etwa 30 Kilometer entfernte Quarzazate.

Quarzazate: Willkommen in "MollyWOOD"

Ein Tagesausflug in die Filmstadt Ait Ben Haddou ist meist verknüpft mit einem Ausflug ins naheliegende Quarzazate, wo die Altas Coporation Filmstudios sowie die CLA Studios ansässig sind. Das Hollywood Marokkos, scherzhaft Mollywood genannt, gilt als Touristenzentrum sowie Drehscheibe für den Verkehr in Südmarokko. Quarzazate verfügt sogar über einen eigenen kleinen Flughafen und die Filmindustrie hat viele Spuren hinterlassen.

Auf dem Parkplatz vor den Filmstudios lässt man uns die Wahl: Wir können entweder das Kinomuseum "Musée du Cinema"besichtigen, wo Original-Requisiten und Kostümeverschiedener Sandalenfilme gezeigt werden, oder die gegenüberliegende Wüstenfestung ansteuern. Da wir gehört haben, dass die Ausstellung schon etwas angestaubt sein soll, entscheiden wir uns für die Kasbah Taourirt. Immerhin diente sie ebenfalls schon als Filmkulisse und es wurden hier beispielsweise einige Szenen von "Sieben Jahre in Tibet" gedreht.

Die Kasbah kostet viel weniger Einttritt als die kommerziell ausgerichteten Studios und wir sind so gut wie allein. In Ruhe erkunden wir jeden Winkel des Gebäudes und entdecken wieder zauberafte Verzierungen und Blickwinkel.


Auch die 360-Grad-Aussicht vom Dach der Kasbah auf die umliegende Landschaft genießen wir völlig ungestört als einzige Besucher. Wir beglückwünschen uns spätestens jetzt zu unserer Entscheidung, nicht den Massen in das Filmmuseum gefolgt zu sein.

Anschließend haben wir noch ein wenig Zeit, bis der Bus abfährt und laufen noch schnell hinüber ins angrenzende Kasbah-Viertel. Dort haben wir den Eindruck, im wirklich authentischen Marokko angekommen zu sein.


In den engen Gassen begegnen uns spielende Kinder, es gibt keinerlei Händler, nur eine geheimisvolle Melodie ertönt aus einem Hauseingang. Leider müssen wir schon bald wieder aufbrechen, weil die Abfahrt ansteht. Gerne hätten wir uns das Viertel noch länger angeschaut!

Die Rückfahrt: Von Kasbah bis Kunsthandwerk

Ehe wir die endgültige Rückfahrt von Quarzazate nach Marrakesch antreten, gibt es noch einen kleinen Stopp in einem Kunsthandwerk- und Teppichladen auf dem Programm. Der Laden ist hübsch und wir bekommen den obligatorischen Tee serviert, kaufen jedoch nichts, weil wir ohnehin nur mit Handgepäck aus Deutschland angereist sind.


Man ist uns nicht böse und keiner sagt etwas dazu, dass wir nach der 10-minütigen Teppichvorführung einfach draußen vor der Tür warten. Danach geht es im goldenen Nachmittagslicht zu unserem letzten Halt: einer weiteren Wüstenfestung bei Quarzazate. Hier schießen wir unsere letzten Fotos, auf der weiteren Rückfahrt ist es schon zu dunkel, um aus dem Auto heraus zu fotografieren. Müde und glücklich erreichen wir Marakesch.

Obwohl ich sonst kein großer Fan von geführten Touren bin, diese kann ich nur wärmstens empfehlen. Selbst der unfreiwillige Ausflug in den Teppichladen hat uns wieder zu vielen Fotomotiven verholfen. Einziges Manko in meinen Augen: Man kommt genau zur Mittagszeit in Ait Ben Haddou an, was fototechnisch das schlechteste Licht gibt. Alle Touren, die wir gesehen haben, bieten eine ähnliche Planung. Dies und etwas mehr Zeit im Kasbah-Viertel von Quarzazate wären für mich ein Grund, mir beim nächsten Mal vielleicht ein Taxi für den ganzen Tag zu mieten. Ob das allerdings so fahrtauglich und komfortabel wie die Kleinbusse ist, sei dahingestellt ...

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