Über die bewegende Geschichte von Dona Roquelina hat Alina vor einigen Wochen bereits hier berichtet. Damals haben wir uns mit ihr in Monchique getroffen, um mit ihr neues Arbeitsmaterial zu kaufen. Da Roquelina zu traumatisiert war, haben wir sie nur in ihre Notunterkunft begleitet. Diese Woche hat mich ihr früherer Nachbar Yuca, der ebenfalls sein Zuhause an die Flammen verlor, zum zerstörten Heim der Näherin mitgenommen. Ich möchte dies zum Anlass nehmen, euch das Treffen mit Roquelina noch einmal aus meiner eigenen Perspektive zu schildern.
Ein Neustart für die Näherin Dona Roquelina,
Fotos & Bericht: Susanne Koplin
Vor unserem Treffen mit Dona Roquelina ist Alina sichtlich nervös. Sie hat Angst, dass die Gefühle sie übermannen. Schon die Telefonate mit der stark
traumatisierten Näherin aus Monchique haben sie ziemlich erschüttert. Die Stimme von Roquelina klingt heiser, gebrochen – wie die einer 80-jährigen Frau. Dabei ist sie gerade einmal Mitte
60.
Weil Roquelina eine Gehbehinderung hat, holt uns ihre Schwägerin vom Treffpunkt in den engen Gässchen von Monchique ab. Sie selbst wartet auf uns vor der Tür des Stoffladens, in dem sie sich vor einigen Tagen bereits Utensilien ausgesucht hat, die Alina heute von den Spendengeldern bezahlen wird. Sie sind für einen Neuanfang unerlässlich. Das Feuer hat nämlich nicht nur das Elternhaus vernichtet, in dem sie gemeinsam mit ihrem Bruder und ihrer Schwägerin lebte, sondern ebenso ihr kleines Nähzimmer mit allen Arbeiten und Geräten zerstört. Darunter auch ein ganzer Korb voller handgeknüpfter Makramees, die sie auf dem Markt verkaufen wollte. Monatelange Handarbeit ist zu Staub und Asche zerfallen – und damit auch Roquelinas Existenzgrundlage.
Sieben Leute stehen nun in dem kleinen Laden, der für Touristen wie aus der Zeit gefallen wirken muss. Alina begleiten heute unter anderem Fabian, ein
Fotografiestudent aus Deutschland, der seine Abschlussarbeit über die Brände schreibt, und eine gute Bekannte von Alina, die Roquelina durch einen ersten Nähauftrag unterstützen möchte. Wir alle
halten respektvoll Abstand, als Alina mit der kleinen Näherin zur Kasse geht. Wir wollen diese von Schmerz gebeugte Frau nicht bedrängen, ihre Scham, auf Hilfe angewiesen zu sein, nicht noch
vergrößern. Bei jedem Auslösen der Kamera fühle es sich an, als würde ich Roquelina viel zu nahe kommen. Es fühlt sich an wie ein skurriler Paparazzisturm im Tante-Emma-Laden.
Derweil überredet Alina Roquelina sanft, noch ein paar Sachen mehr zu nehmen. Beiden stehen Tränen in den Augen. Die wenigen weiteren Dinge – etwas
Garn, eine Schere, 1 Meter Stoff und ein paar bunte Bänder – sind für uns nur Kleinigkeiten. Für Roquelina bedeuten sie die Welt. Ich packe die Einkäufe für sie in eine Tasche zu den Nähsachen
meiner verstorbenen Großmutter, die ich Roquelina mitgebracht habe, und übergebe alles ihrer Schwägerin. Erleichtert ob der bedrückenden Situation in dem engen Laden treten wir gemeinsam hinaus
in die Mittagssonne.
Wir begleiten die beiden Frauen noch bis zu ihrer Notunterkunft ein paar Straßen weiter. Sie haben Glück im Unglück gehabt und eine der wenigen freien Wohnungen zugewiesen bekommen. Wie lange sie noch bleiben dürfen, wissen sie allerdings nicht. Es riecht feucht und muffig als wir in den dunklen Flur treten, aber es ist eine saubere und gut ausgestattete Wohnung. Die Schwägerin zeigt uns die schöne Aussicht aus dem Küchenfenster auf die umliegenden Hügel. Auch das hinterlässt ein zwiespältiges Gefühl. Zu nah sind die schwarz verkohlten Spuren des Feuers, die man von hier sehen kann.
Die Schwägerin erzählt uns die Geschichte ihrer Flucht. Wie sie von den Flammen überrascht wurden und Hals über Kopf fliehen mussten – mit nichts als
ihren Kleidern am Leib. Als ich später das zerstörte Haus mit eigenen Augen sehe, habe ich
sofort wieder Roquelinas Gesicht vor Augen. Dieses kleine, von außen schon
gemütliche Häuschen mit dem Heiligenbild über dem Eingang passt so gut zu ihr. Das
Innere ist komplett zerstört, man erkennt aber gerade noch, wo das Arbeitszimmer der Näherin gewesen sein muss. Der gewaltigen Hitze konnte nur
der Ofen standhalten. Sonst gibt es nur Schutt und Trümmer, soweit das Auge reicht.
Roquelina bleibt still, wirkt fast abwesend während ihre Schwägerin erzählt. Das Erlebte belastet sie zu stark, um selbst darüber zu sprechen. Es fällt schwer, sich vorzustellen, dass die Näherin bis zu dieser Nacht eine lebenslustige Frau mit einem fröhlichen Funkeln in den Augen war. Zur Zeit kommt sie nur noch mithilfe von Beruhigungstabletten durch den Tag.
Wir entdecken die Nähmaschine im Nebenzimmer, die Roquelina von Dr. Ana Silva als Ersatz für die beiden Geräte bekommen hat, die sie in den Flammen
verlor. Alina bittet sie, sich kurz für ein Foto hinzusetzen. Roquelina willigt ein, denn der Bericht und die Fotos sind das einzige, was sie uns momentan zurückgeben kann. Sie weiß: Nur so
können wir auf das Schicksal der Menschen in Monchique aufmerksam machen und mehr Spendengelder für weitere Betroffene sammeln. Ihr ergebener, fast apathischer Blick ist herzzerreißend. Nach nur
zwei Bildern bedanke ich mich bei ihr und erlöse sie.
Wir möchten die kleine Dame von dem Gefühl, eine Bittstellerin zu sein, befreien und sprechen nun mit ihr über den Auftrag, den Alinas Bekannte zu vergeben hat. Im Gespräch über die Arbeit an den Sitzbezügen taut Roquelina tatsächlich ein wenig auf, sogar ein winziges Lächeln huscht über ihr Gesicht. Trotzdem bittet sie uns noch um ein wenig Zeit, bevor sie damit beginnen kann. Das Erlebte geht ihr noch zu nah, sodass sie sich kaum konzentrieren kann. Wir vereinbaren, in einem Monat wiederzukommen. Wir können Roquelina ihren Schmerz nicht nehmen, doch indem wir ihr eine Perspektive geben, können wir sie in ihrem Heilungsprozess unterstützen – und hoffen, dass die tapfere Näherin wieder zu ihrer alten Stärke findet!
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Bitte beachtet, dass es sich nicht um eine Organisation handelt, sondern Alina einmalig als Privatperson Geld sammelt und daher keine Spendenquittung ausstellen kann. Dafür kommt das Geld auch direkt bei den Bedürftigen an - und ich werde hier regelmäßig berichten in Wort und Bild, sodass ihr sehen könnt, was mit eurem Geld passiert.
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