Hilfe für Monchique: Schicksale - Senhor Baltazar

Letzten Sonntag wurden Alina und ich mit Gewalt ganz an den Anfang unseres Hilfsprojekts zurückversetzt. Nachdem wir nun allmählich das Gefühl hatten, dass langsam alle Menschen, um die wir uns seit Monaten bemühen, gut versorgt sind,  zeigte uns Senhor Baltazars Fall auf, dass es noch immer viel zu tun gibt. Der bescheidene Maurer hat seine ganze Energie bislang in die Hilfe für seinen besten Freund gesteckt. Und das obwohl er selbst alles durch die Brände verloren hat. Nun ist Senhor Baltazar an der Reihe und wir wollen ihm schnellstmöglich zu einem Dach über dem Kopf verhelfen.


Fotos und Bericht: Susanne Koplin


Vor einigen Wochen hat sich ein liebes Ehepaar aus Bensafrim bei mir über den Blog gemeldet, weil sie ein komplettes Badezimmer abzugeben hatte und dies gerne spenden wollte. Alina fand schnell heraus, dass dringender Bedarf besteht. Senhor Franco berichtete ihr nämlich von seinem besten Freund, Manuel Baltazar, der ebenfalls durch das Feuer sein komplettes Wohnhaus sowie seine gesamten Arbeitsgeräte verloren hat. Er kann die Badezimmeraustattung also nur zu gut gebrauchen. Alina leitete flugs alles in die Wege, ihn am 16.12. auf seinem Grundstück kennenlernen zu können, um uns vor Ort ein Bild zu machen. 

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Letzten Sonntag ist es dann soweit. Alina und ich treffen am altbekannten Intermarché-Parklpatz auf  Anna und André. Anna wird uns in ihrem Jeep das letzte Stück zu Sr. Baltazars Grundstück mitnehmen, denn der Weg ist nicht asphaltiert und für Autos ohne Allradantrieb nicht zu schaffen. Der strömende Regen, der Monchique seit dem Morgen einhüllt, ist da ebenfalls keine Hilfe.  Außerdem sind dieses Mal auch wieder Mitglieder des Rotary Clubs dabei, die teilweise vergangenes Wochenende schon mit Alina bei Sofee und Rabbit sowie Emily und James waren. Die Hilfe durch den Rotary Club Algarve ist Gold wert, denn sie haben noch einmal ganz andere finanzielle Mittel und Kontakte. Senhor António zum Beispiel ist Besitzer einer Baufirma und hat schon anderen Betroffenen Baumaterial zugesagt.

Mit den Rotariern Dulce, Jovita und Sr. Antonio im Schlepptau fahren wir los ins etwa 5 km entfernte Poio do Linho. Etwas besorgt beäuge ich Sr Antónios Mercedes, mit dem er den schlammigen Pfad zu Sr. Baltazar hinunterfahren will. Alina erzählt mir, dass er schon letztes Wochenende arg in Mitleidenschaft gezogen wurde auf der Tour durch Monchique, aber der Allradantrieb doch brav seine Dienste getan hat - trotz Qualmwolke. Und tatsächlich, Sr. António lenkt sein Gefährt souverän über alle Hindernisse hinweg und schafft es ohne Probleme bis zu dem Schuppen, wo wir auf Sr. Baltazar treffen.

Der Anblick der umliegenden Hügel mit mehreren zerstörten Häusern ist ein Schlag in die Magengrube. Nach der großen Zuversicht, die wir in den vergangenen Wochen gespürt haben und den Fortschritten, die sich bei vielen unserer "Schützlinge" gezeigt haben, verschwimmen in einem grau-schwarzen Regensumpf. Da hilft auch das geradezu giftgrüne Gras nicht, das einen Teil der verbrannten Landschaft inzwischen wieder bedenkt. Überall finden sich Schuttberge und verbrannte Gerätschaften, sie sich grotesk vor dem Grau des Himmels abheben. Während sich Alina mit den Rotariern sowie Anna und André zu Sr. Baltazar in den Schuppen begibt, um von ihm zu erfahren, wie ihm konkret geholfen werden kann, erkunde ich das Gelände.

Vorsichtig taste ich mich einen rutschigen schmalen Pfad durch das Gras hinunter, um zu Sr. Baltazars abgebranntem Haus zu gelangen. Durch den Regen wirkt alles noch trostloser. Alle umliegenden Hügel sind schwarz. Nur sehr vereinzelt wächst wieder neues Leben.  Vereinzelt sieht man kleine Häuser inmitten der Asche. Bei genauerem Hinsehen, erkenne ich auch hier, dass die meisten nicht völlig intakt sind, obwohl es auf den ersten Blick so wirkt. Oft fehlt aber zum Beispiel das Dach. Ich frage mich, ob auch diesen Menschen geholfen wird.

Mittlerweile bin ich bei der Ruine von Sr. Baltazars Zuhause angekommen. Das kleine Häuschen muss einmal sehr gemütlich gewesen sein.  Sicherlich kein Luxus, aber sehr gemütlich. Nun sind vom Hauptgebäude nur noch die Grundmauern übrig. Einzig der winzige Schuppenanbau ist noch halbwegs intakt, hat aber keine Tür.

 Vorsichtig steige ich über den Schutt, um das Haus von innen zu begutachten. Es bietet sich das gleiche Bild, wie in allen zerstörten Häusern, die wir besucht haben. Die hölzerner Dachbalkenkonstruktion ist durch die Feuer in Brand geraten, woraufhin das Dach eingestürzt ist und die Flammen in den Wohnraum eindringen konnten. Der Boden ist mit Dachziegeln und anderem Schutt bedeckt.


Von der Einrichtung ist rein gar nichts übrig geblieben in den Wohnräumen. Der einzig klar identifizierbare Raum ist die Küche. Hier ragt der Kamin trotzig in den Himmel und zeigt, wo einmal ein Holzofen das Haus gewärmt hat. Ein Wasserhahn ragt aus der Wand und man erkennt, wo einmal das Spülbecken war. Einzig ein paar Kacheln farbiger Küchenfliesen erinnern daran, dass hier bis vor ein paar Monaten wirklich jemand lebte.

Als ich in den Trümmern von Sr. Baltazars Haus stehe, höre ich auf einmal ein Kläffen hinter mir. Ich bin nicht mehr allein. Ein magerer Wachhund schaut mich neugierig durch den Hauseingang an. Ich finde ihn eher süß als bedrohlich, doch als ich langsam auf ihn zugehe, wird das Gebell lauter und auch andere Hunde, die ich noch nicht sehen kann, stimmen mit ein. Bevor die gesamte Hundepolizei von Monchique anrückt, mache ich mich dann lieber auf den Weg den Hügel hinauf zu dem Schuppen, wo anderen mit Sr. Baltazar noch immer im Gespräch vertieft sind.


Die Rotarier vermessen fleißig und füllen Seite um Seite ihre Notizbücher, was alles an Baumaterial benötigt wird. Auch Alina hat wieder viel zu tun, sie wird sich um die Organisation von Bad- und Kücheneinrichtung kümmen. Später erzählt sie mir, was sonst noch in meiner Abwesenheit besprochen wurde. Senhor Baltazar hat bisher von der Organisation „Espiral das Vontades“ Unterstützung zugesagt bekommen, um eine provisorische Unterkunft zu bauen. Hier wird er sein Auto unterstellen und sich in einer Ecke einen kleinen Wohnraum einrichten. Doch sonst ist er auf sich allein gestellt, alle Kosten für die Möbel und Haushaltsgeräte sowie für den weiteren Wiederaufbau von Küche und Bad kann die Organisation nicht übernehmen. Hier kommt wie erwähnt Alina ins Spiel. Die Installationen für das Bad werden wir schon am kommenden Wochenende zu Sr. Baltazar transportieren können.

Wir machen uns nun noch einmal alle gemeinsam auf den Weg zur Ruine, nehmen aber dazu den breiteren Weg und nicht den kleinen Trampelpfad, den ich vorhin benutzt habe. Dabei kommen wir am Nachbarhaus vorbei, das im Grunde nicht viel mehr als ein Schuppen ist. Als Alina und ich in den Hauseingang schauen, schauen wir plötzlich in 2 paar freundliche braune Augen. Hier sitzen Sr. Baltazars Nachbar und einer seiner körperlich eingeschränkten Brüder im Halbdunkel auf einfachen Schemeln. Die beiden älteren Herrn grüßen mit leicht brüchigen Stimmen zurück als wir Ihnen einen guten Tag wünschen. 

Das Bild der beiden alten Herren, die hinter dem offenen Hauseingang sitzen, damit wenigsten ein wenig Licht in den stockdunklen, unbeheizten Raum fällt, brennt sich in meine Netzhaut und auch Alina kann den Anblick nicht vergessen. Zu gerne hätte ich das fotografisch festgehalten, kann mich aber in diesem Moment nicht dazu durchringen, die beiden mit meiner Kamera "abzuschießen". So halte ich nur das Gebäude fest, in dem sie unter wirklich unmenschlichen Bedingungen hausen müssen.

Ich frage Alina, wo denn eigentlich Sr. Baltazar momentan wohnt und sie erzählt mir, dass er unter der Woche bei einem Nachbarn unterkommt, weil dieser auswärts arbeitet und nicht da ist. Am Wochenende schläft er dann in seinem Auto. Auch das ist ein Umstand, der mich schockiert, denn die Brände liegen mittlerweile über 4 Monate zurück.

Man sieht Sr. Baltazar an, wie sehr die Situation ihn belastet, auch wenn er sich es nicht anmerken lassen will. Alina überreicht ihm zwischendurch die kleine Dose mit Keksen, die ich für unsere Lieben in Monchique gebacken habe.  Leider können wir ihm heute nicht mehr mitgeben als diese Kleinigkeit und das Versprechen, am nächsten Wochenende wiederzukommen. Wie viele Menschen in Monchique, die seit Monaten auf staatliche Unterstützung warten, verbietet Sr. Baltazar zu sehr zu hoffen. Ich kann verstehen, dass es schwer fällt noch daran zu glauben, dass Hilfe kommt. 

Immer wieder schimmern die Augen des Maurers feucht, als er von seinem Verlust erzählt. Auch als ich zum Abschied ein paar Bilder von ihm mit den Rotariern und Alina schieße, wirken seine Augen unfassbar traurig. Der zurückhaltende Sr. Baltazar ist genau das Gegenteil von seinem besten Freund Sr. Franco. Diesen hat der Verlust seines Zuhauses natürlich auch stark belastet, aber durch seine quirlige und extrovertierte Art hat er schnell die Menschen für sich eingenommen und scheint wieder zu seiner alten Hochstform aufzulaufen. Wir werden nun auch Sr. Baltazar mit vereinten Kräften unterstützen und hoffentlich bald zu einem Lächeln bewegen können.  Ich bin sicher, mit den Rotariern als Unterstützung sowie Alinas zahlreichen Kontakten und ihrem großartigen Organisationstalent werden wir es schaffen, Sr. Baltazar wieder eine Perspektive zu schenken!

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